Laudatio von Dr. Martin Schmidt-Magin

Laudatio von Dr. Martin Schmidt-Magin

Nur wenige Künstler gibt es, deren Werke den Betrachter mit einem wohligen Gefühl anziehen und festhalten, und deren Präsenz auch dann noch lange nachwirkt, obwohl man längst die Ausstellung verlassen hat. Die Gemälde und Skulpturen von Susanne Binsack sind solche Werke. Sie zaubern immer wieder ein Lächeln in das Gesicht der Betrachter, zumindest geht es mir so, wenn ich die Werke von Susanne Binsack vor meinem geistigen Auge Revue passieren lasse.

Es bereitete mir große Freude, die Ausstellung mit Werken von Susanne Binsack in der Englischen Kirche in Bad Homburg 2018 zu kuratieren und die Objekte mit der Kirchenarchitektur in Beziehung zu setzen. Wohlwissend, dass der Widerhall der Motive der Bad Homburger Künstlerin beim Publikum ein positiver sein wird. Und genau dies ist auch geschehen.
Die Ausstellungskomposition fügte sich leichtfüßig und stimmig: Das Spiel der ehrwürdigen neugotischen Architektur mit den Porträts und Landschaften von Susanne Binsack; die sakrale Lichtführung mit ihren Stillleben und ihren Sandsteinskulpturen. Jedes Motiv, jedes Gemälde erhielt einen eigenen Platz und verfügte über ausreichend Raum, um sich entfalten zu können, gleichzeitig aber auch in Verbindung mit anderen Werken gesehen zu werden und so mit der eigenen Farbigkeit und der eigene Formensprache in Resonanz zu den anderen Werken zu stehen und zu wirken.

Die Porträts erinnern entfernt an Paula Modersohn-Becker, jedoch hat Susanne Binsack die düstere Schwere der Worpsweder Malerin weit hinter sich gelassen. Ja, die Dargestellten sind stilisiert und in eine entrückende Flächigkeit gebracht; doch bei aller Abstraktion bleibt der direkte Augenkontakt zwischen Dargestellten und Publikum, eine angenehme Wärme zeichnet diese Porträts aus. Man glaubt die Nähe zwischen Malerin und ihren Modellen zu spüren und als Betrachter oder Besucher bewegt man sich nur zu gerne in der unmittelbare Nähe der Porträts.

Ähnlich ergeht das dem Betrachter mit Susanne Binsacks Stillleben. Auch hier sei ein berühmter Künstlervorgänger erwähnt: Giorgio Morandi. Ähnlichkeiten gibt es in Komposition und Flächigkeit, doch die sterile Kühle des Norditalieners überhöht Susanne Binsack mit Farbtiefe und Brillanz. Was bei Morandi zusammengestellt wirkt, erfährt bei Susanne Binsack Lebendigkeit und inneres Leuchten, sodass die Vasen, Gefäße und Blumen fast menschliche Präsenz ausstrahlen.

Ihre Sandsteinskulpturen zeichnen sich durch plastizierte Menschlichkeit aus. Das Gefühl der Verbundenheit, der familiären Liebe bildet die passionierte Bildhauerin in dem warm erscheinenden roten Sandstein wieder und wieder aus.

Und schließlich ihre einzigartigen Landschaften und Häuser. Hier gibt es keinen Vergleich, der zu anderen Künstlern zu ziehen wäre. Zu individuell und einfach unvergleichlich sind diese besonderen Ansichten. Und auch hier spielt eine menschliche Komponente in die Darstellung der so vermeintlich toten Architektur hinein. Denn, weit gefehlt wer so denkt: schnell wird in Susanne Binsacks Motivwelt ein Fenster zu einem Auge, eine kleine satteldachbekrönte Hütte zum Kind eines mütterlich großen Hauses; zwei hochaufgeschossene Häuser zu einem Paar und eine weitere kleine Hütte auf einem Felsvorsprung wird zum Symbol von Einsamkeit, Durchhaltevermögen oder einfach nur von „Ich bin ganz oben!“.

Wenn unser Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe in seinem vor gut einhundert Jahren entstandenen „Künsterlied“ (aus den Wanderjahren 1827) folgendes schriebt, „Wohl erfunden, klug ersonnen, schön gebildet, zart vollbracht …“ so fühlt es sich an, als ob Goethe die Werke von Susanne Binsack bereits damals kannte. Denn genau so lässt sich die Vorgehensweise der Bildhauerin und Malerin erläutern: Die Komposition ist wohl gefunden, die Idee durchdacht, individuell und gelegentlich auch humorvoll, ihre Handschrift ist nicht anders als liebevoll zu nennen und ebenso das letztendliche Ergebnis.

Dr. Martin Schmidt-Magin, im Mai 2020